Masken

Nein, ich bin kein Faschingsmensch. Und ich musste lange in den noch immer auf dem Fußboden verstreuten Fotoalben suchen, um das Foto hier zu finden. Aber beim Thema Fasching, der hier im Ländle gerade im vollem Gang ist, fiel mir heute Morgen die letzte Party, zu der ich eingeladen war, ein.
Also das war so. Ich war auf einer dieser Stehpartys eingeladen. Und was tut man so auf einer Stehparty? Yepp, dumm in der Gegend rumstehen, mit dem Fuß wackeln und an seinem Sekt nippen. Also ich zumindest tue genau das auf diesen Stehpartys, bei denen die ohnehin schon einlullende Cocktailmusik so leise aus den Boxen kommt, dass ich mich am liebsten mit ’nem Hörrohr – und ’nem Maß Bier statt ’nem Sekt vor die Box setzen würde.
Ich weiß auch nicht, aber mein Ding ist das nicht. Am liebsten würde ich bei so ’nem Abend einmal durch die aufgereihten Herrschaften hüpfen und einem nach dem anderen den Stock aus dem Hintern ziehen, meine Metal-Musik aufdrehen und jeden mal die Füßchen kitzeln. Aber das tue ich natürlich nicht. Stattdessen bemühe ich mich um Konversation … Nur wo fange ich am besten an?
Ah da, die Braunhaarige! Eine Frau! Jippie! Frauen gehen immer. Oder meistens. Also watschel ich mit meinem Sektchen rüber zu dem Schmuckstück. „Kuckuck!“, sage ich – oder so was Ähnliches. Und dann geht’s auch schon los. Booooaaaah, ohne Punkt und Komma labert mir die Gute voll das Schnitzel an die Backe. Das ist jetzt wirklich nicht mal übertrieben – ich glaube, innerhalb von zwei Minuten kommt sie von ihrem Freund, der, wie sie sagt, ein „natural born actor“ ist, über Shower-Gels und Zauberkästen auf ihre Bankirai-Terrasse zu sprechen, äh, zu monologen.
Luft holen, denke ich und schütte mir vor Schreck erst meinen Sekt auf ex in den Hals, und dann stelle ich mir vor, wie ich mich transformiere oder ich mir ’ne Maske aufsetze.
Tommy, du verwandelst dich jetzt einfach in was anderes; das wird sie aus der Quasselbahn werfen. Sagen wir mal in … ja, in was denn? … In einen Brokkoli.
Schwupps, bin ich ein Brokkoli; die Rolle kenne ich schließlich schon.
Doch Pustekuchen? Die Smalltalk-Labertasche labert einfach weiter. Die sieht nicht mal, dass meine Transformation geklappt hat, dass sie nun mit ’nem grünen Brokkoli-Männchen spricht.
Und da wird es mir bewusst. Nicht ich trage eine Maske. Sondern sie. Dieses ganze Heiße-Luft-Gequake ist eine Maske, die sie trägt, um nicht der Mensch sein zu müssen, der sie wirklich ist. Den Grund dafür kenne ich nicht. Schutz? Unsicherheit? Ich weiß es nicht. Und um ehrlich zu sein, in diesem Fall ist’s mir auch egal. Aber was ich zu wissen glaube, ist: Dass wir durchaus ab und zu mal eine Maske aufsetzen dürfen. Um uns zu schützen, um ein anderer zu sein, um uns selbst zu hinterfragen. Aber sich auf Dauer hinter einer zweiten Haut zu verstecken? Statt in die Richtung zu gehen, in der wir uns selbst gerne sehen würden? Ich empfinde das als genauso traurig wie die Vorstellung, dass das ganze Jahr lang Fasching wäre.

Euch ein schönes, erholsames Wochenende mit möglichst wenigen Momenten, in denen ihr euch unwohl fühlt.

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