Der freie Wille macht uns zu dem, was wir sind. Zu einem Menschen. In unseren Entscheidungen sind wir, das lässt sich nicht leugnen, freier als andere Lebewesen. Freier als Einzeller wie Pantoffeltierchen oder Kieselalgen. Dennoch gilt es als gesichert, dass wir unsere Entscheidungen – zumindest im absoluten Sinn – bereits gefällt haben, ehe unser Bewusstsein davon Kenntnis nimmt. Pointiert formuliert: Wir denken nicht unsere Gedanken, sondern werden gedacht.
Einige rufen jetzt sicher: „Boah, voll der komplizierte Stoff am frühen Morgen, Tommy! Geht’s noch?“ Also will ich euch ’ne Nachbarschaftsgeschichte aufs Auge drücken.
Also das war so: Der Tommy und der Jimmy, die haben Nachbarn. Viele. Denn sie leben dicht an dicht in einer Wohnhaussiedlung. Und eines Tages kaufte sich der erste dieser Nachbarn eine Gartendusche. Voll happy war er mit dem Teil, und mit seiner Euphorie steckte er den zweiten Nachbarn an, der sich wenig später ebenfalls eine Gartendusche zulegte.
Am dritten Tage hatte auch der dritte Nachbar eine – na, was wohl? – Gartendusche. Stolz beugte er sich über den Gartenzaun von Tommy und Jimmy und sagte: „Guckt mal, Tommy und Jimmy, wir haben eine Gartendusche! Ihr habt keine, oder? Also, wie ihr das aushaltet, so ohne Gartendusche, ist mir ein Rätsel. Ohne Gartendusche würde ich den Sommer nicht überstehen können.“
Der Tommy und der Jimmy guckten sich nur fragend an. Denn weder der Tommy noch der Jimmy verstand, wofür man in einem kleinen Reihenhaus zwingend eine Gartendusche brauchte. Und erst recht nicht wollte Herr König, der Hund der beiden, das verstehen. Wuffend legte er mit verschmierter Schnauze, die er gestrichen voll hatte, Protest ein.
Der Gartenduschen-Virus aber war nicht aufzuhalten. Ein Monat zog ins Land, und mit einem Mal hatte jeder Nachbar – außer die beiden Jungs, die armen Knöpfe! – eine Gartendusche. Und erst duschten die stolzen Besitzer auch fleißig in ihrem Garten. Doch schon nach wenigen Wochen weinten die Gartenduschen, denn sie standen einsam und verlassen in der Gegend herum und kamen sich überflüssig und vergessen vor.
Und so tropfen sie noch heute deprimiert und auf sich zurückgeworfen vor sich hin, denn die Gartenbesitzer haben sich von einem neuen Virus anstecken lassen, der jeden befällt, der nicht achtsam dafür ist, dass nicht jeder Wunsch der eigene Wunsch sein muss.
In diesem Sinn, meine lieben Freunde, seid achtsam! Überlegt, wann ihr etwas wirklich befürwortet und wann ihr Gefahr lauft, den Gedanken der Masse für euren eigenen zu halten.
Im Falle einer Gartendusche mag Letzteres nicht weiter tragisch sein, im Falle von Menschenrechten, Demokratie und Grundfreiheiten ist es das aber sehr wohl.
Habt euch wohl, ich hab’ euch lieb
Euer Tommy, der jetzt erst mal duschen geht. Oben, ganz stinknormal, im Badezimmer.
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